Es gibt immer einzelne bedeutende Ereignisse, welche den Verlauf einer beruflichen Karriere bestimmen. Sie können zur Herausforderung werden und zur Gelegenheit, besondere Kenntnisse zu erwerben. Die nachfolgend beschriebenen Meilensteine haben meine berufliche Erfahrung als Flussbauingenieur geprägt. Man ist niemals allein, um solche Herausforderungen anzunehmen und Lösungen zu entwickeln. Allen, die mir diese Erfahrungen möglich gemacht oder in solch entscheidenden Phasen mit mir zusammengearbeitet haben, möchte ich meinen Dank aussprechen.
Martin Jäggi
Verzweigte Flüsse in Neuseeland |
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Aufenthalt an der Lincoln Universität in Canterbury, Neuseeland, vom Oktober 1978 bis Juli 1979. Viele Gelegenheiten, fast unberührte verzweigte kiesführende Flüsse zu studieren. Ähnlich haben früher die Schweizer Flüsse in natürlichem Zustand ausgesehen. So habe ich eigentlich die Flussmorphologie kennengelernt. Das erarbeitete Wissen wurde später in der Lehre und bei einer Reihe von Flussrevitalisierungsprojekten äusserst nützlich. |
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Das Reussdeltaprojekt |
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Im Herbst 1980 wurde die Idee des ILU, die kanalisierte Mündung der Reuss in den Urnersee zugunsten eines natürlichen Flussdeltas aufzugeben, zur Herausforderung für das traditionelle Denken im Flussbau. Eine Machbarkeitsstudie im hydraulischen Modell überzeugte dann aber die meisten Betroffenen. Das Projekt wurde zwischen 1988 und 1991 realisiert. Als Vorläufer eigentlicher Flussrevitalisierungen wurde es in das Inventar der Auenlandschaften nationaler Bedeutung aufgenommen. |
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Die Untersuchung Emme 2050 |
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Zwischen 1985 und 1987 haben die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie an der ETH Zürich und das Geographische Institut der Universität Bern die Emme und ihr Einzugsgebiet grundlegend untersucht. Dies löste die Entwicklung des Computerprogramms MORMO aus, mit welchem Geschiebetransport und Sohlenentwicklung in einem Fluss simuliert werden können. Wichtigstes Resultat der Studie war die Erkenntnis, dass die Sohlenerosion bereits durch die Korrektion im 19. Jahrhundert eingeleitet wurde und nicht die Folge rezenter Störungen war. Lokale Aufweitungen wurden als Alternative zu Querwerken vorgeschlagen. Eine erste Aufweitung wurde 1991/92 bei Utzenstorf realisiert. |
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Das Reusshochwasser im Kanton Uri von 1987 |
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Am 24. August 1987 überschwemmte die Reuss grosse Gebiete im Kanton Uri. In den steileren Abschnitten führten Querschnitterweiterung und Mäandermigration zu grossen Schäden an der Eisenbahnlinie und der Autobahn. Es zeigte sich, dass ins solchen Abschnitten grosse Blöcke zwar für häufige Hochwasser das Bett stabilisieren, seltene Hochwasser aber sozusagen die Taltopographie weitermodellieren. In der Ebene zeigte dieses Hochwasser die Grenzen konventioneller Flussbaupraxis auf. Im Schutz der Dämme, der eigentlich überschätzt wurde, wurde die Landnutzung stark intensiviert. Der kanalisierte Fluss war auf ein hundertjährliches Hochwasser ausgebaut. Dieses Hochwasser war aber um 25 % höher. Das System kollabierte, wobei die Dämme an drei Stellen brachen und Hindernisse wie die auf einer Dammschüttung verlaufende Autobahn dies Schadenswirkung des auslaufenden Wassers verstärkten. Aufgrund der nachfolgenden breiten Diskussion wurden in der Schweiz neue Richtlinien zum Hochwasserschutz vorgelegt (BWG). Das Schadensausmass soll mit der Grösse und der Seltenheit der Hochwasserabflüsse kontinuierlich und nicht plötzlich zunehmen. Objektkategorien mit unterschiedlichem Schutzziel werden betrachtet. Die Hochwasser müssen in einem Abflussbereich bewirtschaftet werden, der über der Abflusskapazität des Flussgerinnes liegt. Das Restrisiko muss transparent gemacht werden. |
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Das Saltinahochwasser in Brig 1993 |
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Am 24. September 1993 überflutete die Saltina die Zentren von Brig und Glis im Kanton Wallis. Die Brücke am Kegelhals, welche 1958 abgesenkt worden war, war die Hauptursache. Während kleinere Ereignisse bisher schadlos abliefen, wurde dieses Mal im Brückenquerschnitt Geschiebe bis zur Verlegung abgelagert. Nach einer ersten Ablagerung überströmte Wasser die Brücke und konnte nicht zum Gerinne zurückfinden. Dadurch nahm die Transportkapazität weiter ab, was den Prozess verstärkte. Dieses Ereignis zeigte die Bedeutung des Geschiebetransports und die Notwendigkeit, Bauwerke auch auf diese Belastung auszurichten, auf. |
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